"Ein Gesetz ohne das Schwert ist die Ohnmacht des Rechts...."
 
(Rudolf von Ihering)
 

Von Schindern, Henkern und Gerichtsvollziehern

Die Geldvollstreckung blickt auf eine uralte Tradition zurück. Schon in der Bibel wird über Zöllner berichtet, die mit der Aufgabe der Steuererhebung und Betreibung betraut waren.
Im römischen Recht war eine Vollstreckung in das Vermögen des Schuldners nur ansatzweise bekannt; hier wurde der Schuldner vielmehr durch persönlichen Zwang zur Erfüllung seiner Verpflichtungen angehalten. So wurde etwa der säumige Zahler für 60 Tage gefangen gehalten und nach Ablauf dieser Frist liquidiert oder als Sklave verkauft, wenn weder von ihm selbst noch von einem Dritten Zahlung geleistet wurde. Dieses Vorgehen hatte keinen Strafcharakter sondern war lediglich als Druckmittel gedacht.  Um 326 v.Chr. erfolgte ein Milderung dieser Bestimmungen und der Schuldner durfte nach der Entlassung aus der Haft seine Schulden beim Gläubiger als Schuldknecht abarbeiten.
Erste Berichte über Pfändung und öffentliche Versteigerung von Wertgegenständen gibt es aus dem 4. Jahrhundert n.Chr.
Im Mittelalter kam dem "Fronbote" neben anderen gerichtlichen Tätigkeiten auch die Aufgabe des Gerichtsvollziehers zu. In den Illustrationen des "Sachsenspiegels" (um 1220) werden u.a. auch die Pfändung eines Pferdes und die Beschlagnahme einer Burg dargestellt.
Der Fronbote wird als ein freier und begüterter Mann beschrieben, der
auch den "Bann", die Strafgewalt des Richters, verkündete und als dessen Gehilfe die Urteile vollstreckte. Er durfte die "Leut ohn Sünd wohl peinigen und richten".
War also eine Enthauptung vorgesehen, so hatte diese Aufgabe der Fronboten oder auch der  "Büttel" (Gerichtsbote) zu erfüllen. Ursprünglich waren beide hochgeachtete Beamte, aus denen aber auf Grund der Vollstreckung von Bluturteilen schnell  "Unehrliche" wurden.
Die Einführung der Folter als Mittel zur Wahrheitsfindung stellte die Gerichtsbarkeit vor neue Aufgaben. Das Foltern und Hinrichten als hauptberufliche Aufgabe war mit dem Amt des Fronboten nicht länger vereinbar.
Im 13. Jahrhundert wurden die ersten besoldeten Scharfrichter angestellt. Im Augsburger Stadtrecht von 1276 sind erstmals die Pflichten und Rechte des Henkers festgehalten. Neben dem Vollzug von Todes- und Leibesstrafen  führte der "Carnifex" auch die Aufsicht über die Prostituierten der Stadt.
In den folgenden Jahren verbreitete sich das Amt des Henkers über den gesamten deutschen Sprachraum und ist untrennbar mit der Bemühung zur Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols verbunden.

Bereits 1311 wurde in der Wiener Rossau, als eine der ersten festen Hinrichtungsstätten, der Rabenstein errichtet.
In der Bambergischen Halsgerichtsordung von 1507 und der Carolina von 1532 wird der Scharfrichter bereits als der alleinige Strafvollstrecker bezeichnet.
Der Henker gehörte ab dem 14. Jahrhundert neben dem Abdecker, dem Müller, Schäfer, Leinenweber, Töpfer, Bader, Bartscherer und vor allem den Gauklern, Juden und Zigeunern sowie den unehelich Geborenen zu den "unehrlichen Leuten".
Die unehrlichen Leute wurden in keine Handwerkszunft aufgenommen und durften kein städtisches Amt ausüben. Der Henker des Spätmittelalters durfte oftmals nicht in der Stadt wohnen und wurde ihm selbst bei der Messe ein eigener, abgesonderter Platz zugeteilt. Schenken und Wirtshäuser durfte er nur betreten, wenn sich keiner der anderen Gäste dagegen aussprach.

Der Rabenstein in der Rossau

Diese Diskriminierung vererbte sich von einer Generation zur anderen und führte auch dazu, dass Söhne und Töchter von Henkern nur untereinander heiraten durften.  So entwickelten sich regelrechte Dynastien, wie die der Familien Sanson in Paris oder Schrottenbacher, die das Amt des Wieners Scharfrichters von 1550 bis 1802 inne hatte.
Unter den gesellschaftlich geächteten Scharfrichtern gab es aber auch eine strenge Hierarchie: Zur untersten Stufe gehörten die Schinder, Abdecker und Wasenmeister, zu deren Aufgaben es u.a. gehörte gefallenes Vieh zu beseitigen, Kloaken zu reinigen und tollwütige Hunde zu erschlagen. Die nächsthöhere Stufe bildeten die Meister oder Henker, die u.a. die "peinliche Befragung" ebenso wie die Vertreibung von Aussätzigen aus der Stadt vorzunehmen hatten. Die höchste Stufe bildeten die Scharf- oder Nachrichter, die niemals einen Verurteilten berührten und die Enthauptungen mit Schwert. Beil oder Fallbeil vollzogen. Alle anderen Tätigkeiten bei der Urteilsvollstreckung wurden von den Angehörigen der beiden unteren Stufen ausgeführt.

Darstellung der Justitia auf der Klinge eines Richtschwertes

Die Hinrichtung selbst wurde als würdevoller und erhebender Akt mit einer erzieherischen Wirkung auf die Öffentlichkeit gestaltet, der mit der Übergabe des Verurteilten durch die Organe der städtischen Gerichtsbarkeit an den Scharfrichter eingeleitet wurde. Enthauptungen wurden im Mittelalter grundsätzlich mit dem Richtschwert vollzogen, das meist im Eigentum des Scharfrichters stand und das von Generation zu Generation weitergegeben wurde. Häufig wurden die speziell angefertigte Schwerter, mit  Abbildungen der Justitia (siehe nebenstehendes Bild), Heiligenfiguren,  Hinrichtungsszenen, Ornamenten oder Sprüchen wie "Die Obrigkeit steuret dem Unheil, ich exequire ihr Ends Urtheil" graviert.
Zahlreiche Berichte gibt es auch über missglückte Hinrichtungen, bei denen dem Scharfrichter der erste Streich misslang. Es sind mehrere Fälle verbürgt, in denen das schaulustige Volk Partei für den Verurteilten ergriff und den Scharfrichter verprügelte, in Einzelfällen sogar zu Tode steinigte.

Mit der langsam fortschreitenden Abschaffung der Todesstrafe im 19. und 20. Jahrhundert begannen auch die Scharfrichterämter zu verschwinden. Nunmehr brotlose  Henker betätigten sich fortan als Landwirte, Viehhändler, Fuhrwerker, oder auch, bedingt durch die berufsbedingt guten anatomischen Kenntnisse, in medizinischen Berufen, vorwiegend im Veterinärwesen.

Ein außergewöhnlich populärer Vertreter seiner Zunft war der bei den Wienern beliebte und geschätzte Simmeringer Feuerwehrhauptmann Josef "Pepi" Lang, der von 1900 bis zur Abschaffung der Todesstrafe im Jahre 1919 als Scharfrichter von Wien amtierte. Nach der Wiedereinführung durch das Dollfuss-Regime, Ende 1933 übernahm Langs Neffe Johann das Amt des österreichischen Henkers und führte es bis zum Einmarsch der deutschen Wehrmacht im März 1938 aus. Johann Lang starb 1938 im Konzentrationslager Dachau.
Während der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft in Österreich wurden im Wiener "grauen Haus" 1184 Hinrichtungen vom Nachfolger der Langs vollzogen.
Nach dem Wiedererstehen der Republik im April 1945 erklärte sich ein ehemaliger Gehilfe Langs bereit, das Henkeramt zu übernehmen. Bis zu seiner Pensionierung im Sommer 1950 folgte er einunddreißig mal dem Befehl: "Scharfrichter, walte deines Amtes"

Pepi Lang, Scharfrichter von Wien

Am 21. Juni 1950 beschloss der Nationalrat die neuerliche Abschaffung der Todesstrafe im ordentlichen Verfahren, 1968 erfolgte die Abschaffung auch für die Standgerichtsbarkeit.
1988 trat die Republik Österreich der Konvention über die Abschaffung der Todesstrafe bei.


Nach diesem Ausflug in die Welt der "Halsgerichtsbarkeit" noch einige Worte zur Entwicklung des Gerichtsvollzieherwesens in Österreich:

Executionsordnung vom 27. Mai 1886

In den Gesetzbüchern Maria Theresias findet sich 1750 die Bezeichnung "Exekutor", der Begriff des "Gerichtsvollziehers" findet erstmals Erwähnung in der westgalizischen Prozessordnung von 1851. Die Gerichtsvollzieher versehen ihren Dienst in Uniform und führen einen Säbel.
1867 erfolgt die Teilung von Verwaltung und Justiz, Bezirksgerichte und Bezirkshauptmannschaften werden geschaffen.
Am 27. Mai 1886 tritt die "Executionsordnung" in Kraft. Nach dem verlorenen Krieg werden die Gerichtsvollzieher abgeschafft und "gerichtliche Vollstrecker" in der Verwendungsgruppe E eingeführt.
Nach dem Anschluss an das Großdeutsche Reich bleiben die österreichischen Vollstrecker weiter im Amt, führen jedoch nunmehr den Amtstitel "Justizvollstreckungsassistent mit dem Zusatz "als Gerichtsvollzieher". Nach Kriegsende und  Wiedererlangung der Selbstständigkeit treten auch die österreichischen Gesetze wieder in Kraft. Die Exekutionsordnung wird novelliert uns als BGBl. 1953/6 am 17. 1. 1953 wiederverlautbart. Als Erlass des Bundesministers für Justiz regelt das "Dienstbuch für Vollstrecker (DV)" ab 1952 (bis 1996) die Tätigkeiten und Befugnisse der Vollstreckungsorgane.

Am 18. 11. 1967 wird der Österreichische Gerichtsvollzieherbund gegründet und Friedrich Spiegelgraber zum ersten Präsidenten gewählt.
Nach langen und zähen Verhandlungen mit dem Bundesministerium für Justiz gelingt es 1979 die Verwendungsgruppe C für die gerichtlichen Vollstrecker zu öffnen. Den größten persönlichen Triumph erlebt Fritz Spiegelgraber als 1984 Drucksorten, Dienstausweise und -abzeichen mit der neuen österreichischen Berufsbezeichnung "Gerichtsvollzieher"  ausgegeben werden.

Mit der EO-Novelle 1995 wird die Exekutionsordnung grundlegend und positiv verändert und der langgehegte Wunsch der Gerichtsvollzieher nach mehr Selbstständigkeit geht in Erfüllung.

Im Jahr 2000 scheitert der Versuch, die Gerichtsvollzieher angelehnt an die deutschen Bestimmungen, zu "privatisieren" an verfassungsrechtlichen Bedenken.

H.R.

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